Da stand nun also dieser Hund in meinem Wohnzimmer und schickte sich an, die Hauptrolle in meinem Leben zu übernehmen. Groß, weiß, mit keckem Blick und riesigen spitzen Ohren, fixierte er mich, ging runter auf die Ellbogen und bellte mich an 😯
Ich geriet ein wenig ins Schwitzen – eine Bedienungsanleitung hatte man mir für ihn nicht mitgegeben, und mein Motorrad fühlte sich zu dieser Zeit irgendwie intuitiver an als der Hund. Okay, der folgende telefonische Hilferuf bei seiner Pflegestelle wird mir wohl noch ewig peinlich nachhängen. Aber hey – zeigt das nicht nur, wieviel ich seither durch ihn gelernt habe?
Acht viel zu kurze Jahre später hat der Krebs ihn mir vor wenigen Tagen genommen 😥 Und während ich noch um meinen unvergleichlichen BALDUR weine, hat er hoffentlich im Hundehimmel schon zu alter Stärke zurückgefunden und Lindas Gänsekeulenbude geplündert 😉
Rückblick: Sommer 2005
Ein verunglücktes Blind Date mit einem Mann, von dem nur die Faszination für seine Hunde übrig blieb; eine mitternächtliche Erscheinung vor der Kölner Agneskirche in Form eines Langhaar-Ibicencos namens Günther; meine Kündigung und ein neuer Job mit Home Office – so fügten sich im Sommer 2005 innerhalb von wenigen Wochen meine Sehnsucht nach einem Hund, nach einem Ibicenco ganz konkret, und die Realisierbarkeit dieses Traums wunderbar zusammen.
BALDUR entdeckte ich in einem Internet-Tiervermittlungsportal, auf einem Foto neben abgeschnittenen Männerbeinen auf Adiletten (Insider wissen diese Beine gewiss zuzuordnen 😀 ), und blieb unweigerlich hängen.
Nicht an den Adiletten. Sondern an dieser unglaublich stolzen Erscheinung. Und natürlich auch, weil seine Geschichte mich berührte: Als Welpe auf der Straße nach Es Cubells, Ibiza, mit Mutter AMREI und Bruder BALDIN aufgesammelt und nach Deutschland gebracht,
hätte er eigentlich beste Voraussetzungen für ein glückliches Hundeleben gehabt. Aber mit damals 1,5 Jahren war er schon dreimal aus der Vermittlung zurückgekommen. Die Gründe? Klassiker, wie ich heute weiß: eine vermeintliche Hundehaarallergie des Kindes; eine schwere Erkrankung des Frauchens; und zum Dritten zu wenig Zeit und Nerven für den anstrengenden Junghund. Ich nahm mir vor, ihn kennenzulernen, sollte er nach meinem 4-wöchigen Australienurlaub noch da sein. Er war noch da – und saß schon einen Tag später in meinem Auto.
Und das, obwohl er mich bei meinem Besuch in Zülpich mit dem Allerwertesten nicht ansah. Anbiedern und Zuneigung verschenken waren nie sein Ding – und damit war er bei mir genau richtig: Ich kriege nicht gern etwas geschenkt. Dennoch ließ er mich von diesem Tag an nie wieder aus seinen wunderschönen Augen mit der sternförmigen Iris. Eine gute Sache, wie sich schnell herausstellte, denn die Trainerin, die ich – mangels Bedienungsanleitung – gleich am nächsten Tag aufsuchte, zögerte keine Sekunde, ihn auf offenem Feld abzuleinen 😯 Einen Podenco, den Jagdhund unter den Jagdhunden!
Die Tauben lieber gebraten
BALDURs Jagdtrieb konzentrierte sich allerdings eher auf Fast Food: Vor die Wahl gestellt hätte er wohl immer den falschen dem echten Hasen vorgezogen, und für diese Vorliebe entwickelte er ein wahnsinniges Geschick. Ich habe die peinlichen Situationen nicht gezählt, wenn ich mal wieder zu spät geschaltet hatte und nur noch zusehen konnte, wie mein Meisterdieb im Vorbeigalopp die Angler am Rhein um ihr Frühstück oder Fischfutter brachte. Mehr als einmal biss er unbemerkt von fremden Bratwürsten ab oder nahm, ganz ohne Körperkontakt, dem ins Gespräch vertieften Eigentümer gleich das ganze Brötchen aus der Hand. Die Aufschreie und empörten Schimpftiraden der Familienväter habe ich noch gut im Ohr, wenn er mal wieder ein fröhliches Beisammensein mit einem beherzten Raubzug über die Picknickdecke gesprengt hatte. Um Kinder mit Süßgebäck auf Hundenasenhöhe machten wir daher lieber einen Riesenbogen – deren Mütter hätten den „gefährlichen“ Hund sicher angezeigt. Mehr als einmal täuschte er mir auch vor, mit anderen Hunden spielen zu wollen, nur um – einmal abgeleint – doch lieber ein Kotelett vom nächsten Grill zu ziehen. Mit einem solch begnadeten Döner-Detektor den Sommer zu überleben, war schon anstrengend 🙄
Mit mir allein zu Hause stellte er das Stehlen bald ein, aber wehe, es waren Fremde zugegen. Das Weihnachtsmahl fiel für die Zweibeiner regelmäßig schmaler aus als geplant, und selbst die laufenden Kameras beim „Shopping Queen“-Dreh hielten ihn nicht vom Plündern des kalten Buffets zurück. Das größte gefundene Fressen war für ihn jedoch immer wieder das HaM-Sommerfest im August, wenn es besonders für unsere Elke 😎 hieß: „Leute, kauft gleich drei Stücke Kuchen, dann könnt Ihr eines essen.“
Nur auf der Erstkommunionfeier meines Neffen konnte ich ihn erfolgreich am Mundraub hindern – einen guten Eindruck hinterließ er dennoch nicht: Die würzig-grünen Schwaden, mit denen er nach vorherigem Genuss von Schafscheiße den Festtagstisch einnebelte, ruinierten ein wenig die Stimmung …
Not Everybody’s Darling
Überhaupt war BALDUR nicht der Hund, der spontan die Herzen eroberte. Weder aufgrund seiner Optik: Dieser mächtige Rumpf mit der nicht immer so schlanken Taille auf den dünnen Stelzen mit den kleinen Tippelfüßchen, dazu der übertrieben kreisrunde Ringelschwanz, der mich vom Bett aus immer an eine Haifischflosse erinnerte, wie er so über der Sofarückenlehne kreuzte, entsprachen nicht unbedingt dem Schönheitsideal eines Ibicencos.
Noch aufgrund seines Wesens: Statt die Menschen mit rührseligem Dackelblick zu erweichen, schlitzte er ihre Bauchtauschen oder unbeaufsichtigten Rucksäcke lieber gleich von unten auf. In jungen Jahren war er außerdem ein ziemlicher Haudegen, liebevoll Krawalldur genannt. Unvergessen die wilden und lauten Schaukämpfe, die er sich mit seinen Lieblingsfeinden Galga SOLE und Podenco MEL lieferte.
An der Rennbahn entnervte er auch im fortgeschrittenen Alter noch die Anwesenden mit seinem unermüdlichen Gebell.
Mein bester Freund
Für mich allerdings war er etwas ganz Besonderes und wird es immer bleiben, nicht nur, weil er mein erster Hund war. Sondern auch weil mir mit jedem weiteren Hund, der hier fest oder zur Pflege einzog, klar wurde, wie anders er war. Besonders clever und gelehrig vor allem. Ein wenig eigenbrötlerisch auch.
Und ganz besonders souverän. Ich liebe das Video, in dem er im Alter von ca. 4 Jahren zwei raufende Jungrüden splittet – lehrbuchmäßig, wie ich es seither bei keinem anderen Hund gesehen habe:
Ein bisschen erinnerte er mich auch an meinen geliebten Vater: Nie überschwänglich, aber loyal und verbindlich bis zum Anschlag. Seine Liebesbekundungen waren spärlich (deswegen brachte ich ihm auch bei, sie auf Kommando abzugeben 😉 ) ; sein Wedeln kaum merklich, nur selten kam er kuscheln. Aber wenn, dann machte es mich umso glücklicher. Er war mein engster Begleiter, mein bester Freund. Ich vermisse ihn so sehr, seinen wachen Blick, seinen Geruch, sein wohliges Grummeln, wenn ich ihm die Ohren kraulte, die Geräusche seiner Tippelfüßchen auf dem Steinboden, und eigentlich möchte ich im Moment nur in den Erinnerungen an die vielen wunderbaren Momente, schönen Reisen und lustigen Anekdoten mit ihm leben und mich ganz in meiner Trauer verkriechen.
Aber das geht nicht. „Baldur war der Anfang von etwas ganz Großem“, hat eine Freundin gesagt. Und für dieses Große, auch wenn sie damit womöglich nur mein Rudel meinte, muss ich jetzt stark sein …
Liebe Christiane,
Du hast uns hier Deinen geliebten Baldur so gut geschildert, dass wir, wo wir ihn nicht kannten, doch ein so gutes Bild von ihm vor Augen haben.
Diesen Schmerz, dass Dein Baldur nun nicht mehr bei Dir ist, den kann Dir keiner abnehmen, aber Du wirst diesen Schmerz bald überstehen und an die vielen schönen Momente mit ihm zurückdenken !
Er wird für immer in Deinem Herzen sein, dort hat er seinen festen Platz !
Du hast ihm 8 wunderbare Jahre geschenkt…das wird er niemals vergessen, glaube mir, auch er hat Dich sehr geliebt, durfte er doch ein richtig schönes Hundeleben bei Dir führen !
Sei ganz dolle gedrückt !!!
die KuKi`s
….so zauberhafte Worte für eine Liebe des Lebens! Aber ich bin sicher, deine Freundin meinte nicht einfach „nur“ dein Rudel Christiane….du selber bist was ganz Großes!
….. so wunderschön geschrieben. Das ist eine einzige Liebeserklärung an Baldur.
Ich musste beim lesen doch einige Male lachen und hatte auch Tränen in den Augen.
Ich glaube, der erste Hund ist und wird auch immer etwas besonderes bleiben! Und schön ist, dass sie für immer in unseren Herzen bleiben. Es vergeht kein Tag, an dem man nicht an die Schätze denkt… Es tut auch sehr lange weh… aber irgendwann ändert sich der Schmerz… wird weniger und bald… irgendwann kann man sogar wieder über die Erinnerungen lachen.
Fühl Dich mal fest gedrückt..
Liebe Christiane..
wunderprächtigschöne zauberhafte Worte an Baldur..von einer Herzensfrau an ihren Herzenspodi..!
Ich fühle mit Dir..16 Monate isses her, als mein Schoggilabi Joy mir gar nicht fit schien..Diagnose Lymphom..7 Wochen später musst ich ihn ziehen lassen. Ja..Ihr seid mir sehr nahe..hab die letzten Tage nochmal erfahren, wie’s mir damals ging..ich dachte, ich hör nie wieder auf zu weinen. Inzwischen weints mehr aus Rührung, wenn ich Fotos angucke…oder wenn ich mal wieder meine beiden Podimädels angucke und denke..beide hat mir Joy in mein Leben gebracht..dankbar für so vieles.
jede geweinte Träne ist eine Liebeserklärung..stand auf himmelblauen Taschentüchern unseres Krematoriums..
Liebe Christiane..ich wünsche Dir unendlich viele schöne Erinnerungen an Baldur..dass Tränen laufen dürfen, wenn sie wollen. Ganz viele Lachers..täglich..von Deinen Podis ausgelöst..tröstend..
Herzensgrüsse aus der Schweiz..d’Judith mit Schöggeli und Nina
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