Warum ich Telefonangst habe

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Nikolausmorgen 2013, 8h30, das Telefon klingelt zum ersten Mal an diesem Tag. „Erschrecken Sie nicht“, sagt der Herr am anderen Ende und stellt sich als Kriminalkommissar R. aus dem Rheinisch-Bergischen Kreis vor. „Wir haben hier eine Anzeige gegen Sie vorliegen – wegen Tierquälerei und Unterschlagung.“ 😯

Nicht erschrecken, klar, warum auch – ne Strafanzeige wegen Tierquälerei steht der Vorsitzenden eines Tierschutzvereins doch gut zu Gesicht. Mein Puls steigt, die Rädchen in meinem Hirn beschleunigen. Als Erstes kommen mir die Menschen in den Sinn, denen wir auf unseren Spaziergängen begegnen und die Podencos viel zu dünn und die Idee der Mehrhundehaltung abartig finden („So viele Hunde haben, aber nicht füttern!“). Hmm, eher unwahrscheinlich. Sind womöglich die Gebote der Rudelstellungssekte über Nacht Gesetz geworden?  😯 Tierquälerei haben die Damen des Barbara Ertel-Lobhuldigungs-Forums mir nämlich während meiner wenige Stunden währenden Mitgliedschaft tatsächlich vorgeworfen, weil ich meinem zusammengewürfelten „losen Hundeverband“ auch noch regelmäßig Pflegehunde zumute. Oder hat mich vielleicht jemand dabei beobachtet, wie ich meine Hunde ins Bett oder aufs Sofa gezwungen habe? 😉 Mehr Qual will mir beim besten Willen nicht einfallen …. und dann noch Unterschlagung? Ich bin ratlos. Erst als der freundliche Kommissar mir den Namen des Hundes nennt, um den es geht, geht mir ein Licht auf 💡 , und ich schwanke zwischen Tobsuchtsanfall und Lachkrampf. 😡 😆

Rückblick: März 2012

Auf dem Weg in den Urlaub mache ich Rast bei einer Freundin in Frankfurt, den Hunden die Beine vertreten. Mein Handy klingelt, es ist eine Frankfurter Nummer, so ein Zufall. Eine Frau mit einer Stimme, die nach 30 Jahren Ketterauchen klingt, stellt sich vor als Elke B., die vier Jahre  zuvor einen Welpen aus einem wunderschönen Wurf Jagdhund-Mixe von uns adoptiert hat. Sie wirkt verzweifelt. Sie sei im Krankenhaus zu einer Krebstherapie, sagt sie, um Hund P. kümmere sich ihr Ex-Freund, der ihn jetzt jedoch ins Tierheim abschieben wolle; ob ich den Hund für sechs Wochen bei mir aufnehmen könne oder jemanden kenne …? Sie wolle den sensiblen Rüden auf gar keinen Fall in eine Pension geben! Was für eine traurige Geschichte, ich bin voller Mitgefühl für Frauchen und Hund, meine Freundin auch. Spontan erklärt sie sich bereit, den Hund bei sich aufzunehmen – hurra, denke ich, Problem blitzschnell gelöst! 😀

Denkste. Als ich eine Woche später aus dem Urlaub zurückkomme, erfahre ich, dass Langzeit-Einzelhund P. im Rudel meiner Freundin nicht klar kommt; es ist Stress für alle.  Ich fühle mich verantwortlich für den Hund und natürlich auch für meine Freundin – und parke P. erst mal auf Vereinskosten in einer Hundepension, bis die Situation mit Elke B. geklärt ist. An diesem Punkt fällt mir nun auch wieder ein, warum mir die Geschichte von Anfang an irgendwie komisch vorkam – Elke B. hatte gesagt, sie sei im Krankenhaus nicht telefonisch erreichbar. Nicht per Festnetz, nicht per Handy. Aber wo in aller Welt ist man denn heutzutage so gar nicht mehr erreichbar, außer ….? Mir kommt ein übler Verdacht, und ich suche in meinem Handy nach der Frankfurter Nummer, von der sie mich angerufen hatte. Und in der Tat 😯 : Die Nummer führt zum Frankfurter Amtsgericht, genauer zur JVA Preungesheim III, dem Frauengefängnis. Na hurra 😕

Elke B.s Ex-Freund bestätigt, dass sie tatsächlich einsitzt. Und B.s Anwältin, mit der er den Kontakt herstellt, spricht nicht von 6 Wochen, eher von 2 Jahren und mehr 😯 – die Summe mehrerer Verurteilungen wegen Betrugs, wie passend. Ich bin fassungslos und geneigt, Elke B. durch den Hörer Anstand einzuprügeln bei ihrem nächsten Anruf aus dem Büro der Gefängnisseelsorge. Es sei ihr doch so peinlich gewesen, das müsse ich doch verstehen, jammert sie, und außerdem bekäme sie in ein paar Wochen ganz sicher Freigang, dann könne sie P. zurückholen und selbst versorgen. Ich zweifle an ihrem Realitätssinn: Wie soll das gehen? Ein Hund, den sie vielleicht für ein paar Stunden am Tag versorgen kann, der aber die meiste Zeit alleine lebt … ? Wie? Wo? Und wovon?  A propos Geld … ich mache ihr klar, dass auch die Pension von irgendwem, also von ihr, bezahlt werden müsse. „Natürlich“, sagt sie, „kein Problem.“

Die Wochen gehen ins Land, und der Rüde, den ich so oft wie möglich besuche, sieht nicht glücklich aus. Elke B. verspricht mir in ihren gelegentlichen Anrufen weiterhin, dass sie in Kürze Freigang bekommt oder wahlweise eine andere Pflegestelle besorgt, und natürlich alle Kosten erstatten wird. Ich glaube ihr kein Wort, und der Hund tut mir Leid. Als mein Pflegeplatz frei wird, hole ich ihn zu mir nach Hause. P. ist ein wunderschöner und guter Hund, nur ziemlich durch den Wind von all den drastischen Wendungen in seinem Leben. So durch den Wind, dass er auch noch eine Freundin  krankenhausreif in die Hand beißt, weil er sich von fremden Menschen schnell bedrängt fühlt. Hurra 😕

Ich lasse mich anwaltlich beraten und stelle Elke B. eine Rechnung über die aufgelaufenen Kosten; gleichzeitig bieten wir an, ihr diese Kosten zu erlassen, wenn sie das Eigentum am Hund auf unseren Verein überträgt, damit wir endlich ein neues Zuhause für den armen Kerl suchen können. Sie verspricht sofort zu bezahlen, aber untersagt die Weitervermittlung. Sie würde den Hund nun ganz kurzfristig bei mir abholen lassen. Anfang Juni 2012 meldet sie sich zum letzten Mal bei mir. Der Hund wird natürlich nicht abgeholt und die Rechnung nicht bezahlt. Zumindest finde ich einen tollen (Pflege-)Platz für P., wo er seither endlich ein rundum glücklicher Hund ist. Hurra! 😀

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Fast eineinhalb Jahre später …

… an einem Freitag Mitte November 2013 gegen 14 Uhr klingelt mein Telefon. Eine Anwältin aus Köln fragt, ob mir der Hund P. etwas sage. Jaaaaa..? Ihre Mandantin ließe fragen, wann und wo sie ihren Hund wieder abholen könne 😯 😯 😯 Nach einem kurzen Moment echter Sprachlosigkeit antworte ich, Frau B. könne ja gerne versuchen herauszufinden, wo der Hund ist; von mir werde sie das sicher nicht erfahren. Damit beende ich das Gespräch. Vielleicht hätte ich mir denken können, dass  jemand mit derart ausgeprägtem Pippi Langstrumpf-Syndrom („ich mach mir die Welt widewidewie sie mir gefällt“) daraus schließen würde, dass ich P. habe einschläfern lassen, ich Tierquälerin …

Erpresserfoto

Beweisfoto vom 29. Dezember 2013, dass P. wohlauf ist

Der freundliche Kriminalkommissar hört sich meine Geschichte zu Ende an. „Soetwas Ähnliches habe ich mir schon gedacht“, sagt er, „ich hatte Sie nämlich schon gegooglet, und Sie sehen gar nicht böse aus.“ 😀

Pah – vonwegen!  😈 Sobald diese absurde Strafanzeige vom Tisch ist, werde ich mal so richtig böse werden und zurückschießen mit allem, was mein Vorstellungsvermögen und das deutsche Rechtssystem so hergeben, jawohl! Und dann landet Frau B. hoffentlich schnell wieder an einem Ort, wo Kost und Logis frei sind. Aber hoffentlich hat sie dann kein Haustier mehr und bitte auch kein Telefon in Reichweite.

Nachtrag vom 20. Januar 2014:

Das Verfahren gegen mich wurde eingestellt. Hurra 😀

Ein Gedanke zu “Warum ich Telefonangst habe

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