Ich muss unbedingt anfangen, noch zu Lebzeiten über meine Hunde zu schreiben, sonst wird dieser Blog irgendwann doch ein virtueller Friedhof 😥
Nun ist es schon zwei Monate her, dass ich meinen alten AXEL habe gehen lassen. Das A in meinem unvollendeten Alphabet ist nicht mehr, wo es hingehört, und mir fehlt soviel mehr als nur der Anfangsbuchstabe. Fällt das Loslassen eigentlich mit zunehmender Übung leichter..? 😦
Als ich 2006 einen Kumpel für meinen BALDUR suchte, stolperte ich im Netz über diesen imposanten Kerl, der in einem Tierheim bei Hannover saß, vermutlich weil seine Zeichnung der von BALDUR so ähnelte.
Dort saß er offenbar erst kurze Zeit, jedenfalls konnte man mir nicht viel über ihn sagen und verwies mich an das Tierheim auf Mallorca, in dem er zuvor gute 4 Jahre verbracht hatte.
Ahnungslos trat ich damit eine Riesenwelle los … wie sich herausstellte, hatte eine lang vergessene Fernsehmoderatorin der Tierheimleiterin auf Mallorca den Rüden abgequatscht, um ihn in einer wohlhabenden Hamburger Familie zu platzieren. Vielleicht gab es diese Familie wirklich und die Vermittlung platzte, vielleicht war es auch nur ein Vorwand – jedenfalls landete Axel im Tierheim und die Dame auf Mallorca durch meinen Anruf auf dem harten Boden der Realität. Sie bat mich, den Rüden aus dem Tierheim zu holen, selbst wenn ich ihn nicht adoptieren wolle – in diesem Fall würde sie ihn zurück nach Mallorca holen.
Ich folgte brav, fuhr nach Hannover und nahm ihn mit nach Hause – trotz eines mulmigen Gefühls, denn AXEL und BALDUR waren sich anfangs gar nicht grün. Aber natürlich schickte ich den unendlich liebenswerten Hund mit dem flauschigen Fell und dem markanten „Eizahn“ (Hauptbeinhöcker) auf dem Kopf nicht zurück auf die Insel. Und so verzauberte er in den folgenden Jahren viele viele Menschen mit seiner Ruhe, seinem besonderen Blick und den unermüdlich eingeforderten Streicheleinheiten. Sich auf AXEL einlassen, das war Entschleunigungstherapie für gestresste Großstadtmenschen wie mich :love:
Die Entdeckung der Langsamkeit
Mein indischer Chemielehrer zu Schulzeiten unterschied gern drei Formen von Intelligenz: Gummi, Stein und Bambus. AXEL hätte er definitiv dem Typ Stein zugeordnet – der nur seeehr langsam gehöhlt wird, aber wenn, dann für immer. Allein um das Sitzkommando zu begreifen, brauchte er drei Stunden Training, viel weiter kamen wir gar nicht in der Ausbildung 😎
Was, oder vielmehr wen AXEL jedoch einmal in Kopf und Herz geschlossen hatte, den vergaß er nie wieder. Zum Beispiel unsere alte Freundin Brigitte, die wir zuletzt nur noch einmal im Jahr zufällig am Rhein trafen und die ihn genau so sehr liebte wie er sie. Wenn sie ihn dann aus 100 Meter Entfernung und mehr beim Namen rief, brachte er seinen großen schweren Körper mit den letzten Kraftreserven in Schwung und rannte zu ihr, so schnell die Pfoten ihn noch tragen konnten.
Nicht nur AXELs Kopf, auch der Körper war vermutlich seit jeher schwerfällig. Schon in Hannover war mir aufgefallen, dass er nicht windhundtypisch traben wollte, sondern fast nur Schritt ging. Und es war dieser gemächliche, schwere Schritt, mit dem er lautlos durchs hohe Gras am Rhein schlich, der mich zeit seines Lebens an einen Tiger erinnerte. Mein großer weißer Tiger :love:
Natürlich gab es auch eine medizinische Ursache für seine Behäbigkeit. Die war jedoch nicht leicht zu finden. Jahrelang testeten wir ihn immer wieder auf alles, was uns und anderen einfiel: Angefangen von allen erdenklichen Mittelmeerkrankheiten über Cushing und Schilddrüse bis hin zu Myasthenia Gravis – alles ergebnislos. Erst als es ihm mit ca. 10 Jahren richtig schlecht ging, gingen wir den Dingen noch einmal systematisch auf den Grund und entdeckten nach wochenlangen Untersuchungen eine autoimmunbedingte Polyneuropathie. Nur wenige Tage Cortisongabe – und AXEL war nicht wiederzuerkennen, fing beim Mäuseln auf einmal an zu fliegen und musste ab und an sogar wieder an die Leine, weil er plötzlich Feldhasen gefährlich werden konnte 😯 😀 So schenkte uns das Cortison noch ein paar schöne Jahre.
Einen jungen Hund konnte es aber natürlich nicht mehr aus ihm machen. Stück für Stück ließ das Herz nach, während das Alt-Männer-Röcheln in der Nacht zunahm. Der Rücken begann zu schmerzen, das Gehör ließ nach, die Augen wurden trüber und das Einhalten schwieriger. Die Kraft in den Hinterläufen wich und mit ihr wurde das Aufstehen immer schwieriger, und irgendwann sogar das Stehen.
Es tut so weh zusehen zu müssen, wie ein einst so stolzer Rüde allmählich in sich zusammenfällt; wie ihn jedes Aufstehen, jedes Umbetten und jeder Atemzug unendlich viel Kraft kostet; wie die Lebensfreude weicht und er vielleicht nur noch für seinen Menschen lebt 😥
Irgendwann habe ich also die schwerste aller Entscheidungen getroffen. Ob es der richtige Zeitpunkt war, zu früh oder vielleicht sogar zu spät, ich weiß es nicht, und vielleicht werden mich die Zweifel immer begleiten …
„Run free“ wünschen die Facebook-Freunde dann, wenn ein Hund gegangen ist, weil man das so sagt. Und weil laufen, rennen, toben das Eine ist, was Hunde vor allem ausmacht – ihre unglaubliche Vitalität.
Wenn sie wüssten, wie sehr ich Dir genau das wünsche, mein geliebter AXEL, nämlich dass Du endlich unbeschwert und voller Leichtigkeit bist…
Lauf, Tiger, lauf!
..einmal mehr Tränen vergossen..beim lesen Deiner Geschichte..vor Rührung und mittrauern um Deinen Tiger..
*Fällt das Loslassen eigentlich mit zunehmender Übung leichter..?*..leider und glücklicherweise nicht..zu wertvoll sind unsere Begleiter..
liebe Grüsse vom Schweizer Trio..d’Judith mit Schöggeli und Nina
Oh nein, Christiane, das Loslassen fällt mit zunehmender Übung niemals leichter, denn jeder unserer Hunde ist wieder etwas ganz besonderes für uns !
das loslassen fällt nie leichter, niemals! 😦
einen wunderschönen blog habe ich hier gefunden, tolle bilder und klasse inhalt-respekt!
glg, heike
So schön geschrieben! Eine wundervolle und auch rührende Geschichte und Gott sei Dank endet sie mit einem erfüllten Hundeleben.
Loslassen wird immer wehtun, bei mir läßt es nicht nach.
LG Sabine
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