Kennt Ihr Matthew Johnstones Erzählung „Mein schwarzer Hund“? Neulich stolperte ich darüber und war erschüttert. In seiner Geschichte benutzt Johnstone den dunklen Vierbeiner als Metapher für seine seelische Erkrankung, die Depression, die außer Kontrolle gerät und sein Leben zur Qual macht. Mal abgesehen davon, ob das Bild wirklich hilfreich ist im Verstehen von Depressionen – was für eine zusätzliche Bürde ist das für den Ruf dieser Tiere! Als hätten schwarze Hunde es nicht eh schon schwer genug.
Und so schreibe ich also nun eine Love Story über schwarze Hunde, obwohl ich dafür eigentlich völlig unqualifiziert bin. Schließlich habe ich noch nie einen gehabt, außer vor langer Zeit einen einzelnen Pflegehund, der zu allem Überfluss auch noch „Nero“ hieß; der Name war zwar bloß, sehr unkreativ, aus dem Italienischen für schwarz herzgeleitet, aber der böse römische Kaiser schwang natürlich trotzdem immer mit.

Meine eigenen Hunde, allesamt spanische Podencos, könnten jedenfalls gegenteiliger nicht sein, haben sie doch nicht mal schwarze Pigmente im Nasenspiegel, geschweige denn im Fell. Im Laufe der Zeit hat sich mein ganzes Leben dem angepasst: In Wohnungseinrichtung und Kleidung finden sich nur noch Nuancen von Beige, sodass weiße und hellrote Stichelhaare quasi unsichtbar damit verschmelzen. Schwarze Strickpullis, wie ich sie früher liebte, sind schon lange aus meinem Kleiderschrank verschwunden und durch cremefarbene ersetzt. Ein schwarzer Hund wäre heute der Untergang meiner häuslichen Ordnung. (Allenfalls auf dem schwarzen Nadelfilz, der üblicherweise Koffer- und Fußräume von Pkws auskleidet, hätte er noch Vorteile. An den weißen Haaren meiner Hunde ist einmal ein Autoaufbereiter vor der Leasingrückgabe derart verzweifelt, dass er sich nicht anders zu helfen wusste, als sie mit schwarzer Sprühfarbe einzufärben). Grundsätzlich haben helle Hunde einfach deutliche praktische Vorteile: Analog zu meinem eigenen aschblonden Schopf fällt das Ergrauen nicht gar so schnell auf oder ist besser zu kaschieren. Und leichter zu fotografieren für das Instagram-Profil sind sie auch noch. Arme schwarze Hunde.
Es ist mir ein bisschen unangenehm zuzugeben, dass meine Podencos die Lage nicht besser machen: Sie schätzen die schwarzen Kollegen einfach nicht besonders. Nachbars Berner Sennen ist der Erzfeind, zumindest durch den Gartenzaun. Schwarze Labradore werden beim Spaziergang besonders vehement zurechtgewiesen, obwohl das natürlich auch an deren häufiger Distanzlosigkeit liegen könnte. Und auch auf der Hundewiese ziehen die Schwarzen schnell ihre nicht so wohlgesonnene Aufmerksamkeit auf sich. Rührt das vielleicht daher, frage ich mich, dass sie mit schwarzen Hunden einfach nicht vertraut genug sind? Schließlich sind sie in Spanien nur unter ihresgleichen aufgewachsen. Allenfalls der Hofhund mit der Oberaufsicht war schwarz, üblicherweise ein Pastor Mallorquin (mallorquinischer Schäferhund), und der war vermutlich auch eher Angstgegner als Spielgefährte.
Schwarz-Weiß-Denke
Und wenn selbst die Hunde schon Vorbehalte haben, was muss man da erst vom Menschen erwarten, der ja eh zur Stigmatisierung neigt? In der Tat: Schwarze Hunde brauchen oft sehr viel länger um vermittelt zu werden, das ist nicht nur meine persönliche Erfahrung aus mehr als 15 Jahren Tierschutzarbeit. Das mag zwar auch damit zusammenhängen, dass viele der schwarzlastigen Rassen zusätzlich eher groß und oft auch „wachsam“ sind, wie zum Beispiel Dogge oder Dobermann, Neufundländer oder Hovawart, Russischer Terrier oder Riesenschnauzer, Beauceron oder Rottweiler, Cane Corso oder Groenendal.
Aber es trifft durchaus auch freundliche kleine schwarze Hunde. Eine befreundete Tagesmutter mit einem schwarzen und einem weißen Bolonka Zwetna macht immer wieder die Erfahrung, dass selbst Kinder, die keine generelle Angst vor Hunden haben, sich vor allem der weißen Hündin zuwenden, obwohl die schwarze viel netter ist. Schlimmer noch: Wenn es tatsächlich mal einen Zwischenfall geben sollte, ist sofort klar, wer Schuld hat – natürlich der schwarze Hund! In einem bekannten Test der psychologischen Fakultät der University of Florida wurden 250 Männer und Frauen aller Altersklassen zwei Filmsequenzen gezeigt, in denen ein Kind ein Hund streichelte und daraufhin vom Tier gebissen wurde. In der einen Darstellung war der Hund weiß und in der anderen schwarz. Das Ergebnis war eindeutig: Bei dem Hund mit dem weißen Fell sahen die Testpersonen die Schuld beim Kind; bei dem schwarzen Hund wurde der Hund verurteilt und als aggressiv eingestuft. Das nennt man „Black Dog Syndrome“. Eigentlich müssten also eher die schwarzen Hunde die Depressionen bekommen …
Offensichtlich haben wir da ein strukturelles Problem. Auch ohne böse Absicht bekommen wir schon als Kleinstkinder mit auf den Weg, dass schwarz bedrohlich ist. Die Nacht ist dunkel, das lässt sich nicht ändern, aber Schwarz steht symbolisch eben auch für den Tod; schwarz ist der Unglücksrabe ebenso wie der böse Wolf, und die schwarze Katze von links bringt auch nur Unheil. Und weil Schwarz schon mal so negativ verknüpft ist, machen wir alles nur noch schlimmer, indem wir es in der Kinderwelt gar nicht erst positiv stattfinden lassen! Oder haben Sie schon mal ein schwarz gekleidetes Kind gesehen, oder auch nur einen schwarzen Schulranzen?
Black ist beautiful
Erst viel später im Menschenleben bekommt Schwarz auch einen edlen oder „rassigen“ Touch und wird zur Designerfarbe. Dennoch bleibt es dabei immer mysteriös, abweisend und potenziell gefährlich.
Die Vorbehalte gegen das dunkle Äußere treffen entsprechend nicht nur Hunde, sondern auch Pferde, Katzen, wilde Tiere – und Menschen. Kurzum, es ist Rassismus pur: Sachlich unbegründete, angstbeladene Ablehnung der Andersartigen.
Zum Glück gibt es aber auch Liebhaber des schwarzen Pelzes und der Rassen, die sie bevorzugt tragen. Zusätzlich gibt es inzwischen zahlreiche Initiativen, die Lobbyarbeit für schwarze Hunde betreiben und versuchen, deren Vermittlungschancen zu verbessern. Das mag ein wenig helfen. Dauerhaft und im Kern etwas verändern lässt sich aber wohl nur, wenn man so früh wie möglich ansetzt, auf beiden Seiten: Zum einen bei den Kindern, die so früh wie möglich lernen sollten, dass die Fellfarbe des Hundes nichts über seinen Wert oder seinen Charakter verrät. Und bei den schwarzen Hunden, die möglichst schon als Welpe genau diese Unvoreingenommenheit erfahren dürfen sollten.
Mein Herz jedenfalls schlägt neuerdings auch für die schwarzen Hunde, seit ich vor wenigen Wochen diesen winzigen pechschwarzen, freundlichen und furchtlosen Fundwelpen aus dem spanischen Campo unter meine Fittiche nahm. Und zum Glück für Klein-BATMAN fand er trotz pechschwarzem Fell und grimmigem Namen blitzschnell ein wunderbares Zuhause.




Warum soll man vor einem schwarzen Hund Angst haben, ich hab keine. Ich kenne noch den Spruch wer hat Angst vorm schwarzen Mann, das war auch so bescheuert