
„Das ist noch mal gut gegangen!“ Die Erleichterung ist Astrid Behr, Sprecherin des Bundesverbands praktizierender Tierärzte (BpT), anzumerken: „Dank unserer erfolgreichen Petition können unsere Tierärze und -ärztinnen Hunden, Katzen und anderen Heimtieren weiterhin bestmöglich helfen.“
Mit einer beispiellosen Kampagne hatten der BpT und seine Mitglieder zwischen Juli und September mehr als 650.000 Unterschriften gesammelt und an das EU-Parlament weitergeleitet. Dieses stimmte am 15. September über einen Entschließungsantrag des grün motivierten EU-Umweltausschusses ab, nach dem einige Antibiotikaklassen ab 2022 als sogenannte Reserveantibiotika nur mehr für den Einsatz am Menschen zur Verfügung stehen würden, darunter Hundehaltern so geläufige Wirkstoffe wie Enrofloxacin (bekannt z.B. unter dem Markennamen Baytril) oder Marbofloxacin (u.a. Marbocyl). Für viele Hunde und Katzen hätte dies den unnötig frühen Tod bedeutet, weil einige lebensbedrohliche Infektionen z.B. von Lunge oder Gebärmutter schlicht nicht mehr behandelbar gewesen wären. Das Parlament entschied zum Glück für die Tiere im Sinne der Petition.
Bis zum Inkrafttreten der neuen europaweiten Tierarzneimittelverordnung (EU) 2019/6 am 28. Januar 2022 muss die EU-Kommission zwar dennoch entscheiden, welche Antibiotika künftig Menschen vorbehalten bleiben – nun jedoch anhand jahrelang sorgsam zwischen den wichtigen Fachorganisationen der Humanmedizin, Tiermedizin und Lebensmittelaufsicht ausgehandelter Kriterien.
Kriterienkatalog für die Festlegung antimikrobieller Wirkstoffe, die der Humanmedizin vorbehalten sind:
1. Große Bedeutung für die menschliche Gesundheit
2. Hohes Risiko der Resistenzübertragung
3. Kein wesentlicher Bedarf im Tiergesundheitsbereich
Theoretisch könnten damit noch immer wichtige Antibiotikaklassen wegfallen, je nachdem, wie das Kriterium des „wesentlichen Bedarfs in der Tiergesundheit“ ausgelegt wird.
Gewiss ist in jedem Fall: Die Versorgung mit wirkungsvollen Mitteln gegen eine Vielzahl von bakteriellen Erregern wird zu einem immer größeren Problem, für Mensch wie Tier. So unverzichtbar Antibiotika in der modernen Medizin geworden sind, so sehr fördert jeder Einsatz die Bildung von Resistenzen und macht die Bakterien immer gefährlicher. Und in diesem Wettrüsten zwischen Mensch und Bakterium kommt der Mensch nicht schnell genug nach: Die Entwicklung wirklich neuer Antibiotika stockt.
Das Problem ist global. Allein in der EU sterben jährlich geschätzt 25.000 Menschen an den Folgen nicht mehr behandelbarer Infektionen, und diese Zahl könnte künftig dramatisch steigen. Die Politik versucht gegenzusteuern, indem sie die Wirkstoffe für die Tiermedizin weiter einschränkt, auch wenn schon jetzt viele Antibiotikaklassen nur für Menschen reserviert sind.
Deutschland hatte z.B. schon 2018 mit der Verschärfung der Verordnung über tierärztliche Hausapotheken (TÄHAV) eine Vorreiterrolle eingenommen und für kritische Antibiotika, darunter auch das genannte Enrofloxacin, u.a. umfangreiche Antibiogramm- und Dokumentationspflichten eingeführt. Nun legt die EU mit der Tierarzneimittelverordnung 2019/6 nach.
Sind unsere Hunde in Gefahr nicht mehr die bestmögliche Behandlung zu bekommen? Und wie bedrohlich sind eigentlich resistente Keime für Hund und Halter?
„Kein Grund zur Sorge“, sagt Behr vom BpT, und hält es für ausgeschlossen, dass die EU-Kommission Antibiotika in einem Umfang streichen wird, wie der Grünen-Vorstoß es zuvor anstrebte: „Wesentlicher Bedarf in der Tiergesundheit im Sinne des Kriterienkatalogs bedeutet, dass es keine Behandlungsalternativen gibt, und für Heimtiere gibt es keine Alternative z.B. zu Enrofloxacin.“
Würden dieser und einige andere Wirkstoffe gestrichen, widerspräche das dem wissenschaftlich und politisch postulierten „One Health“-Prinzip, das besagt, dass die Gesundheit von Umwelt, Tieren und Menschen untrennbar verbunden sind. Mit anderen Worten: Lässt sich ein Erreger bei Tieren nicht (mehr) eindämmen, hat das mit hoher Wahrscheinlichkeit auch negative Auswirkungen auf den Menschen.
Alles hängt mit allem zusammen
Resistente Erreger verbreiten sich – wie alle anderen auch – auf kaum kontrollierbaren Wegen: Im direkten Kontakt zwischen Menschen und Tieren ebenso wie über Türklinken oder Geländer, Abwässer und Gewässer, Lüftungsanlagen, und nicht zuletzt über Düngemittel und Lebensmittel.
Auf diese Weise kommen wir, Hunde wie Halter, unvermeidlich und vermutlich sehr viel häufiger in Kontakt mit resistenten Erregern, als uns das klar und lieb wäre. Am intensivsten dort, wo die Resistenzen vor allem entstehen: In Kliniken oder Arztpraxen für Mensch oder Tier und insbesondere bei der eigenen Antibiotikatherapie. Bei Hunden kommt außerdem die Fütterung mit rohem Fleisch, die sogenannte „Biologisch Artgerechte Rohfütterung“ (BARF), als Risikofaktor hinzu: Studien belegen hohe Belastungen von Frostfutterproben mit allerlei Darmbakterien, darunter auch resistente. Und da wir so eng mit unseren Hunden zusammenleben, oft auch Sofa oder Bett teilen, liegt die Vermutung nahe, dass auch zu Hause Infektionserreger zwischen Hund und Herrchen übertragen werden, auch wenn Häufigkeit und Richtung wissenschaftlich nicht klar belegt werden können.
Grund zur Sorge besteht trotzdem wenig, sagt die Wissenschaft: Für gesunde Menschen und Tiere führt eine Keimbelastung, auch eine multiresistente, normalerweise nicht zur Erkrankung. Die körpereigene Immunabwehr ist gut in der Lage, die Erreger in Schach zu halten und über kurz oder lang wieder zu eliminieren.
Gefährlich kann es erst werden, wenn Menschen – oder Hunde – immungeschwächt sind, z.B. weil sie Autoimmunerkrankungen haben, sehr jung oder sehr alt sind, Diabetiker oder frisch operiert. Dann spielt eine gute Infektionsprävention sowohl in der Klinik/-praxis ebenso wie eine strenge Hygiene im Haushalt eine besonders zentrale Rolle, vor allem die der Hände! Aber die sollte uns ja spätestens seit Corona schon in Fleisch und Blut übergegangen sein.
Infektionsprävention im Hundehaushalt
- Nach jedem Kontakt Hände gründlich waschen, ggf. desinfizieren, insbesondere nach Kontakt mit Kot, Urin, Speichel und nach Reinigung von Haut oder Ohren. Bei der Pflege und Behandlung von Wunden müssen Einweghandschuhe getragen werden und nach Abziehen der Handschuhe die Hände gründlich gewaschen oder desinfiziert werden.
- Regelmäßige Reinigung von Fressnäpfen, Spielzeug etc. und die Sauberhaltung der Liegeplätze
- Kein «Maul-zu-Mund»-Kontakt, kein Ableckenlassen des Gesichtes
- Tiere mit antibiotikaresistenten Keimen möglichst nicht im Schlafzimmer und in den Betten der Halter schlafen lassen
- Bei Kontakt mit rohem Fleisch strikte Küchenhygiene einhalten
- Tieren mit großflächigen Infektionen (z.B. Hautinfektionen oder infizierten Wunden) im Kontakt zu anderen begrenzen, bis ein klinisches Ansprechen auf die Therapie vorliegt.
Quelle: Klinik für Kleintiermedizin, Zürich (verkürzt)
Richtiger Umgang mit Antibiotika
- Nicht jede bakterielle Infektion erfordert ein Antibiotikum. Die Notwendigkeit sollte von Halter und Arzt kritisch entschieden werden
- Geben Sie Ihrem Tier nur Antibiotika, die vom Tierarzt verschrieben wurden. Verabreichen Sie auf keinen Fall eigenmächtig Arzneimittel, die Sie evtl noch zu Hause haben.
- Die verordnete Dosierung, Art (z.B. nüchtern) und Zeit der Verabreichung müssen unbedingt eingehalten werden, um den Wirkstoffspiegel stabil zu halten.
- Stellt sich nicht spätestens nach 2 Tagen eine Besserung ein, muss das Tier erneut beim Arzt vorgestellt werden.
- Auch wenn der Hund wieder ganz gesund wirkt, muss das Antibiotikum bis zur letzten Dosierung verabreicht werden, um einer Resistenzbildung vorzubeugen.
- Wurde eine Verabreichung vergessen, sollte Rücksprache mit dem Arzt genommen werden.
- Eine gleichzeitige Gabe von Aufbau- und Vitaminpräparaten o.ä. mit Calcium und Magnesium sollte vermieden werden.










Pingback: Ein unnötiger Tod | Welcome to Podifee's Blog.