Das Alter kommt plötzlich. Tut es natürlich nicht, aber es fühlt sich so an. Gerade wähnte man sich noch jung, topfit und allen Naturgesetzen trotzend. Aber es braucht nur eine falsche Bewegung beim Auto ausräumen, ein einziges Foto mit ungünstigem Lichteinfall oder einen undiplomatischen Verweis der Friseurin auf den Xprozentigen Grauhaaranteil – und zack, ist es da. Riesengroß und schwer ignorierbar, geschweige denn widerruflich. Rückenschmerzen – hab ich doch noch nie gehabt? Diese Leseschwäche und die Falten um die Augen waren doch gestern noch nicht da? Und über den Haaransatz im Corona-Lockdown reden wir lieber erst gar nicht. Mit den Hunden ist es ähnlich. Gerade noch hatte ich ein hyperagiles Rudel, kaum müde zu bekommen – und plötzlich steht keiner mehr auf, wenn ich die Kühlschranktür aufmache, weil sie es gar nicht mehr hören.
Mit Anfang 50 blicke ich womöglich allmählich dem letzten Lebensdrittel entgegen – der Großteil meines Rudels ist schon mittendrin, und irgendwie habe ich nicht mitbekommen, wann das genau passiert ist. Grob mit der alten Hundejahre-Formel überschlagen sind vier meiner Vierbeiner schon über 80 Menschenjahre alt, eine schon weit über 100, zwei weitere immerhin älter als ich. And it shows.
Lange Zeit schleifte mich eine „schnelle Eingreiftruppe“ von stattlicher Größe am Bauchgurt durch die Gegend. Heute sind nur noch zwei bis drei meiner Vierbeiner überhaupt dazu in der Lage. Der Rest trottet spätestens nach wenigen Kilometern brav hinter mir her, auch ohne Leine. Wenn er überhaupt noch so weit kommt – ohne Hundebuggy.



Der Schwerpunkt des Gassigehens liegt heute klar auf der B-Mannschaft bestehend aus Rentnertieren und Invaliden. Und dann steh ich mal wieder auf dem Feld herum, winke wie wild, ohne Aussicht darauf beachtet zu werden, und rufe aus tiefster Kehle, aber bleibe unerhört – fast wie früher, nur aus anderen Gründen. Und wenn sich die letzten Gassimeter bis zum Auto schier endlos ziehen, während im Geiste die Alarmglöckchen meines Tagesplans laut schrillen, dann fällt es mir wirklich schwer, die Langsamkeit für mich zu entdecken, von der mein Nachnamensvetter Sten einst schrieb…
Ich habe zwei fortgeschrittene Herzpatienten zu Hause; bei der Oma muckt die Bauchspeicheldrüse; einer hört und sieht fast nix mehr; den Nächsten zwackt die Arthrose vorne wie hinten; hier ein bisschen Schilddrüsenunterfunktion und dort ein bisschen Inkontinenz und nächtliche Unruhe, wie auch alte Menschen sie entwickeln. Die immensen Mengen an Zeit und Geld, die ich wegen allerlei neu entdeckter Wehwehchen oder auch nur Kontrollen beim Tierarzt lasse, verdränge ich lieber. Die morgendliche Tablettenausgabe hat inzwischen die Komplexität einer größeren geriatrischen Pflegestation erreicht, Zusatzfuttermittelchen und Homöopathisches noch nicht berücksichtigt. Der Fütterungvorgang dauert immer länger, zumal der ein oder andere nur noch lustlos im Napf herumstochert und lieber mit dem Löffel gefüttert werden möchte. Die eingebaute Hundeklappe erfüllt ihren Zweck nicht mehr so ganz, weil es nicht mehr alle Hunde problemlos hindurch schaffen; aufs Sofa und ins Auto kommen einige schon lange nicht mehr aus eigener Kraft. Und nachts erinnert die Geräuschkulisse wieder an die bereits erwähnte geriatrische Station: Es schnarcht und röchelt in den Körbchen wie ein Haufen Greise. Let’s face it: Ich führe ein Hundealtersheim.
Das ist nicht wirklich das, wovon man mal geträumt hat, als der erste Hund einzog – ist es doch vor allem ihre Vitalität, Verspieltheit und überbordende Lebensfreude, die uns an Hunden so begeistert! Und so muss ich heute doch wieder (fast) alleine joggen oder auf lange Wanderungen gehen, um mich fit zu halten und dem eigenen Alterungsprozess zu trotzen…
Von Weißheit und Würde
Aber wer es schon einmal am eigenen Hund erlebt hat, der hat hoffentlich wie ich erkannt, dass auch diese Phase wertvolle und wunderschöne Seiten bereit hält, auch und gerade für uns Menschen.
Am offensichtlichsten ist die weiße: Diese wunderschönen weiß maskierten Gesichter, die so viel Würde und Weisheit ausstrahlen.





Wenn der Hund älter wird, freut man sich meist zuerst darüber, dass seine nervigen Macken weniger werden. Zum Beispiel, dass er an der Leine nicht mehr pöbeln mag, zu Hause nicht mehr so viel bellt und aufhört Kuscheldecken zu schreddern. Er verschläft die Türklingel, schläft ohnehin viel mehr und begleitet nicht mehr jeden Gang zum Klo.
Aber direkt danach, wenn wir nämlich realisiert haben, dass die gemeinsame Zeit verdammt endlich ist, dann beginnt endlich die allerbeste gemeinsame Zeit – sofern es uns gelingt, genauso wenig der verlorenen Jugend und Vitalität nachzutrauern wie der Hund selbst. Dann gibt es keine Erwartungen mehr, die Erfüllung verlangen; aber dafür viele innige, entschleunigte Momente. Für unseren alten Freund schalten wir gerne ein paar Gänge zurück, lernen bewusst im Augenblick zu verweilen, uns an ganz kleinen Dingen zu erfreuen, achtsam zu sein mit ihm und mit uns, Rücksicht zu nehmen, Einschränkungen hinzunehmen, und zu akzeptieren, dass nichts bleibt, wie es war. Wir lassen ihn in Würde altern. Und am Ende lassen wir in Dankbarkeit und Liebe los, was nicht mehr in Würde zu halten ist.
Und wenn wir das wirklich verinnerlicht haben, dann schaffen wir das im nächsten Schritt hoffentlich auch bei uns selbst.
Tens raó Podifee,és tota una experiència compartir la seva evolució vital.
Nosaltres tenim 3 cans i 2 d’elles son ja velles (15 i 10).
És trist i bell alhora veure com canvien mes ràpid que nosaltres, és una bona escola de vida.
GRÀCIES pels teus escrits.
Salut!