„Von mir aus melde es dem Tierschutz, ich habe unseren Kampfhund im Pool ersoffen“,
soll Kevin Kaltwasser zu einem Bekannten gesagt haben, nachts, betrunken, so zitiert die BILD-Zeitung Ende September eine ihr vorliegende Audionachricht.

Kevin Kaltwasser, ausgerechnet! Mit diesem Herrn aus dem Kreis der verkrachten „Goodbye Deutschland“-Existenzen hatten auch wir als Verein schon kein Vergnügen. Er war 2020 gerade medienwirksam mit seiner Annika nach Mallorca gezogen und hatte einen Welpen von uns adoptiert. Dieser Welpe brach alsbald aus dem nicht ausreichend gesicherten Gelände der Kaltwassers aus; zum Suchen hatten sie allerdings keine Zeit oder Lust; also taten wir es und fanden den Kleinen gerade noch rechtzeitig, denn er war schon stark dehydriert. Als wir ihn aufgrund des verantwortungslosen und unverschämten Verhaltens der Kaltwassers nicht wieder herausgeben wollten, setzten sie alle medialen Hebel ihres neu erworbenen Ruhms ein, um gegen uns zu schießen. Wir hielten Stand – zum Glück für den Hund! Denn offenbar nahmen die Kaltwassers seither viele weitere Hunde auf, gründeten sogar einen eigenen Tierschutzverein, hatten aber immer wieder Probleme, der Hunde Herr zu bleiben, von Beißereien berichteten sie sogar selbst. Und dann verließ Annika ihren Kevin auch noch … eine verworrene, ungeklärte und unschöne Geschichte, nachzulesen im Mallorca-Magazin, wen’s interessiert.
Viel mehr als die Kaltwassers interessiert mich allerdings die Frage, wer eigentlich dieser „Tierschutz“ ist?!
Bei akuter Tierquälerei und strafrechtlicher Relevanz, wie in diesem Fall vermutet, sind in Deutschland wie in Spanien Polizei und Staatsanwaltschaft gefragt. Geht es nur um eine Ordnungswidrigkeit, also einen geringeren Verstoß gegen gesetzliche Tierschutzvorgaben, ist die Gemeinde bzw. das Veterinäramt zuständig – allerdings sind diese hierzulande massiv überlastet, sodass Hinweisen auf nicht artgerechte Haltung gar nicht, spät oder unzureichend nachgegangen wird; das mussten wir leider selbst schon miterleben. In Spanien scheint die SEPRONA (Servicio de Protección de la Naturaleza), quasi die „Naturschutz-Polizei“, deutlich schlagkräftiger unterwegs zu sein. Sind sie einmal auf den Plan gerufen, hört man, lassen sie so schnell nicht locker (es sei denn, der spanische „Klüngel“ zwischen Ordnungshütern und Jägern, mit nicht unwesentlichen personellen Überschneidungen, kommt dazwischen, auch davon hört man). Hier wie da müssen die Kommunen für die Sicherung und Versorgung herrenloser Hunde Sorge tragen (in Spanien je nach Region auch für die „Entsorgung“, d.h. Tötung). In Deutschland nehmen oft private Tierschutzvereine ihnen diese Aufgabe ab, werden dafür aber meist nur unzureichend finanziell ausgestattet. Auch in Spanien sind es immer öfter Private, die diese kommunale Aufgabe übernehmen (dort scheint es allerdings unter Umständen auch ein interessantes Geschäftsmodell zu sein).
Zurück zu Herrn Kaltwasser: In seiner Sprachnachricht meinte er mit „Tierschutz“ also vermutlich die Strafverfolger, denn – sofern er die Wahrheit sprach – war dem Hund ja offensichtlich nicht mehr zu helfen. Wie ironisch, wo er sich doch lange Zeit selbst als Tierschützer darstellte? Und an dieser Stelle fällt mir endgültig auf, wie sehr mich der Begriff „Tierschutz“ bzw. dessen undifferenzierte Verwendung seit jeher irritiert.
„Sie sind doch vom Tierschutz!“ habe ich schon oft gehört. Nein, ich bin nicht „vom Tierschutz“; das klingt wie „vom Amt“ und offiziell beauftragt. Ich bin aber nur eine von vielen privaten Hundefreund*Innen hierzulande, die sich nebenbei, in ihrer Freizeit, aus Mitleid oder Helfer-Syndrom dafür einsetzen, dass ein paar wenige herrenlose spanische Hunde eine zweite Chance auf ein Zuhause bekommen.
„Sie sind doch der Tierschutz, wieso essen Sie dann Eier/Käse/Fleisch?“ Nein, ich bin ganz sicher nicht der Tierschutz. Ich engagiere mich allenfalls selektiv für zwei bis fünf Hunde. Gerne würde ich mich für mehr Tiere und sowieso die ganze Umwelt einsetzen und auch gänzlich auf tierische Produkte verzichten. Ich schaffe es aber (noch) nicht. Ich bin halt nicht nur Gutmensch – wenn auch nicht ganz so krass ambivalent wie Kevin Kaltwasser, und selbst der hatte sicher mal bessere Absichten als den eigenen geretteten „Tierschutzhund“ zu ertränken. Man kann sich also für einen guten Zweck einsetzen und sich trotzdem wie ein Arschloch verhalten.
À propos: „Das ist ein Tierschutzhund, was hast du erwartet?“, ist noch so ein Satz, der mich gelegentlich nervt. Als sei ein Tierschutzhund eine ganz eigene Spezies, die womöglich zwingend Probleme hat oder macht. Dabei kann jeder Hund zum Tierschutzfall werden, von jetzt auf gleich. Und jeder Hund Probleme machen, aus 1000 Gründen.
Auf der einen Seite die Tierschutzhunde, auf der anderen die Rassehunde? Auf der einen Seite die, die ungeniert Tiere essen, misshandeln oder aussetzen „dürfen“ und auf der anderen die „Tierschützer“, die hinter ihnen aufkehren? Das scheint leider unterschwellig eine ziemlich verbreitete und schädlich spaltende Weltanschauung. Die Welt ist aber nicht schwarz-weiß!
Zweiter Hand, zweiter Klasse?
Eine Bekannte sagte neulich sinngemäß zu mir, dass ja wir (Tierschützer), zusammen mit irgendwelchen osteuropäischen Hinterhofproduzenten, Schuld seien an den seit Corona überfüllten Tierheimen; Rassehunde von guten Züchtern würden da nicht landen, denn die hätten ja einen Wert.
Für einen Augenblick war ich sprachlos. Als hätten wir „Tierschützer“ die Tiere auch in die Welt gesetzt, um die wir uns kümmern. Und als würden in deutschen Tierheimen ausgerechnet die Hunde abgegeben, die durch uns oder andere gewissenhafte Auslandstierschutzvereine sorgsam vermittelt worden waren. Das ist natürlich Unsinn. (In vielen Jahren unserer Vereinstätigkeit sind tatsächlich nur ganz wenige unserer Hunde in einem deutschen Tierheim gelandet; und wenn wir davon erfuhren, haben wir uns immer bemüht, sie zurückzuholen.)
Dennoch: Ein kleines bisschen scheint dran zu sein an der gewagten These: Vom reinen Augenschein gibt es tatsächlich kaum bis keine VDH-gezüchteten Rasse-Dackel oder -Weimaraner mitsamt Papieren in deutschen Tierheimen. Und der „Tierschutzhund“? Ist tatsächlich irgendwie „wertlos“ – denn ihn macht ja quasi per definitionem zum Tierschutzhund, dass man sich seiner caritativ annehmen muss, weil es für ihn – zumindest im Augenblick oder in seinem Zustand – keinen „Markt“ gibt. Kein Wunder, finde ich, schließlich ist der Hund kein Mobiltelefon, sondern ein Individuum, das nicht in jedes Umfeld passt, und von daher braucht eine sorgsame Vermittlung immer etwas Zeit.
Aber warum gibt es dennoch kaum Rassehunde im Tierheim? Es erscheint ja wenig plausibel, dass diese nie ihr Zuhause verlieren würden: Es gibt keinen guten Grund, warum eine hohe Rassepräferenz und ebensolche Zahlungsbereitschaft zwingend mit höherer Halterkompetenz und-gewissenhaftigkeit einhergehen sollte. Auch vor den Unwägbarkeiten des Lebens sind Rassehundehalter nicht gefeit. Und dass Züchter bereitwillig und regelmäßig Verantwortung übernähmen für das, was sie mal in die Welt gesetzt haben, oder Rassehunde nicht verhaltensauffällig werden könnten, ist auch nur eine schöne Idee.
Ich glaube, des Rätsels Lösung ist einfach: Vor allem anderen ist die Zahl der Rassehunde einfach viel geringer als die der Hinterhoftölen; dafür sorgt ja schon die Preisdifferenzierung, und so kommen auch viel weniger von ihnen zu jeder Zeit „second hand“ auf den Markt. Eng damit verknüpft ist die starke Lobby unter den Liebhabern einer Rasse. Wenn also der Königspudel sein Königreich verliert, dann springt – sofern er nicht direkt gegen Geld den Besitzer wechseln kann – ganz schnell irgendeine Privatinitiative namens „Pudel in Not“ ein und hilft, den Hund privat zu platzieren und zu vermitteln. So wird der Rassehund ruckzuck quasi zum „Tierschutzhund deluxe“, und das ist überhaupt keine Schande. „Klassen“ und Grenzen, im Kopf und im Außen, machen das Leben vielleicht einfacher, aber nicht besser. Jeder Hund, und jeder Mensch, kann fast alles gleichzeitig sein und ist vor allem gleich viel wert, oder nicht?









